Universal, Sony, EMI und Warner wollen das Musikbusiness revolutionieren: In Kooperation mit SanDisk werfen sie eine Micro-SD-Karten auf den Markt, auf denen jeweils ein Album aus ihrem Angebot archiviert sein soll. CRM-frei. Kosten soll der Spaß etwas weniger als eine herkömmliche CD im Laden, genannt haben sie es slotMusic.
Mal ehrlich: Wie sehr soll Musik denn noch entwertet werden? Die Kids von heute, die noch nie eine Vinyl in den Händen gehalten haben, kennen doch gar nicht mehr die Bezeichnung des “Tonträgers“. Und jetzt, nach seelenlosem MP3-Download, gibt’s die Hardware-Variante der entpersonifizierten Musik: Mini-Speicherkarten. Und natürlich konnte man das gesamte Album vorab bei MySpace oder auf der Bandwebsite für ein paar Tage komplett im Stream anhören. Damit man vorher weiß, was man kauft. Oder irgendwo runterlädt.
Vor ein paar Jahren – und hier sind “ein paar Jahre” wirklich nur etwa 15 Jahre, nicht mal eine Generation – gab’s so etwas nicht. Man hat sich im Laden eine CD gekauft, mit nach Hause genommen, eingelegt und sich gefreut, wenn die Musik gut war. Oder zumindest nicht so schlecht, dass man sich für einen Fehlkauf schämen musste. Oder man hat sich Vinyls zugelegt, sie vorsichtig aus der Plastikhülle gepellt, das schwarze Rund vorsichtig aus dem Cover gezogen, aufgelegt, den Staub entfernt, vorsichtig die Nadel aufgesetzt und sich zurückgelehnt. Klar, komfortabel war das nicht, und unterwegs konnte man auch keine Platten hören. Aber man hatte was in der Hand.
Als ich vor ein paar Wochen meine übliche Runde auf einem Trödelmarkt drehte und wie immer auf der Suche nach gut erhaltenen VHS-Ausgaben unterirdisch schlechter B- bis F-Movies aus den späten 70er und frühen 80er Jahren war, wurde mit bewusst: Ich will die alten, miesen Splatter- oder Hongkong-Filme gar nicht auf komfortabler DVD mit nach Hause nehmen, ich will das alte VHS-Erlebnis mitkaufen.
Vor zehn Jahren hatte man in der Videothek große Pappcover in der Hand, bekam ein großes schwarzes Tape mit nach Hause und hoffte inständig, dass der vorherige Ausleiher pfleglich damit umgegangen war. Und mittlerweile finden sich nicht wenige VHS-Tapes in meinem Schrank, das letzte gekauft erst vor zwei Monaten. Warum? Weil ich mit Videokassetten Erinnerungen verbinde, ebenso wie mit Schallplatten. Ich weiß noch genau, dass Madonnas “True Blue” die erste Platte war, die ich mir selbst gekauft habe, Falcos “3″ die erste Kassette und “Rock Giants” die erste CD. Welche MP3 ich zuerst besessen habe? Keine Ahnung. Mit MP3s verbindet mich nichts. Es sind Datenströme, mehr nicht. Sie sind an keinen Tonträger gebunden, laufen auf meinem MP3-Player, ich kann sie auf meinem Notebook hören, kann sie auf USB-Sticks durch die Gegend tragen – oder in meiner Digitalkamera. Von Wertschätzung keine Spur.
Wenn die Generationen, die nach mir gekommen sind, erst gar nicht gelernt haben, mit Tonträgern umzugehen, weil Musik irgendwie omnipräsent zu sein scheint, ist es gar kein Wunder, dass sie für ein solches “Allgemeingut” kein Geld mehr ausgeben will. Ich will hier gar nicht das x-te Mal darauf hinweisen, dass es völliger Blödsinn ist einen illegalen Download mit einem ausgebliebenen Kauf gleichzusetzen. Schließlich kauft man ja auch nicht jede CD im Laden, nur weil man mal reingehört hat. (Und wenn ich mal so spontan überblicke, was Labels uns in den letzten Jahren so vorgesetzt haben (Retortenbands, Kinderlieder, Klingeltöne in Liedlänge), geschieht ihnen der Umsatzeinbruch auch mehr als recht.) Aber das soll hier nicht das Thema sein (Diskussionen sind natürlich willkommen). Die Qualität eines Liedes war selten Grund für guten Verkauf, da spielen ganz andere Faktoren eine Rolle.
Aber warum wird dann so viel illegal runtergeladen? Weil es geht! Kopien von Platten hat jeder schon mal gemacht, sei es als Tape für den Walkman, fürs Auto oder für den Nachbarn nebenan. Da gibt es keinen Unterschied. Früher hat man Mixtapes aufgenommen und getauscht. Niemand hat aufgeschrien. Und jetzt gibt es den Tausch in ganz großem Stil. Unkontrolliert. Unkontrollierbar. Weil es geht. Wir haben früher fleißig unsere Platten und CDs auf Kassetten kopiert, um unsere Musik überall dabei zu haben. Genau dasselbe passiert heute. Nur dass es viel einfacher ist.
Und jetzt kommen die Majors und bieten mit ihren Micro-SD-Cards einen Service, der es ermöglicht, geschätzte vierzigtausend Alben in einer Alditüte mit sich herumzutragen.
Was sie retten kann? Die slotMusic-Karten müssten unkopierbar sein. Nicht soft-, sondern hardwaregeschützt. Was man nicht kopieren kann, muss man kaufen. MP3s müssen vom Markt genommen werden, ebenso CDs. Presst alle Musik herrlich analog auf Vinyl. Bringt Kassetten zurück. Dann habt ihr den Markt wieder, mit dem ihr umgehen könnt. Macht ihr’s nicht, dann hört auf zu jammern und findet euch damit ab, dass in spätestens zehn Jahren niemand mehr für Musik auf Konserve zahlen wird. Der Markt ist tot. Musik wird Allgemeingut. Traurig, aber wahr.